Der Schandfleck der kolonialen Vergangenheit. © Georg Soulek.

 

 

 

Kampf des Negers und der Hunde. Bernard-Marie Koltès.

Schauspiel.                  

Miloš Lolić, Jelena Miletić, Nevena Glušica, Herbert Markl. Burgtheater Wien.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 8. März 2019.

 

 

Beim "Kampf des Negers und der Hunde" kommt das Burgtheater seiner Aufgabe nach, anspruchsvolle Stücke vorbildlich aufzuführen. Auf der leeren Bühne von Evi Bauer wirken die vier Schauspieler Philipp Hauss, Ernest Alan Hausmann, Stefanie Dvorak und Markus Meyer wie Erscheinungen, gleich bestrickend und traumhaft-beängstigend wie die fabelhafte Flugchoreographie, welche die vier Männer vom Drohnen360 Pilotenpool vors Auge bringen. Das Ergebnis ist ein intensives Raumgeschehen, faszinierend und abstossend zugleich.

 

Faszinierend ist die szenische Darbietung. Das Licht von Herbert Markl, die Musik von Nevena Glušica, die Kostüme von Jelena Miletić und die Regie von Milos Lolić wirken so subtil ineinander, dass ein Ganzes entsteht, durch welches das schwierige Stück von Bernard-Marie Koltès die wenigen aufnahmefähigen Zuschauer wie ein tiefenpsychologischer Prozess erfasst, bewegt und umgestaltet.

 

Abstossend ist der Inhalt, ja schon der Titel von Bernard-Marie Koltès' Stück. Das Burgtheater sieht sich deshalb zu einer Erklärung genötigt: "In der deutschen Übersetzung des Stücktitels 'Combat de nègre et de chiens’ steht das Wort 'Neger', das im heutigen Sprachgebrauch wegen seiner diskriminierenden und beleidigenden Funktion gemieden wird. In diesem Kontext haben wir uns entschlossen, dieses Wort grafisch abzusetzen, um uns davon zu distanzieren, es aber dennoch auszuschreiben. In diesem Wort kommt zum Ausdruck, dass es in Koltès' Stück weniger um Hautfarben und mehr um Unterdrückung und Ausbeutung geht. Diese Machtstrukturen, die hinter dem Wort stehen und die bis heute fort bestehen, werden im Stück offengelegt und dekonstruiert. Mit den Gebrauch dieses Wortes im künstlerischen Kontext soll der Schandfleck der europäischen kolonialen Vergangenheit und seiner postkolonialen Gegenwart verhandelt werden, anstatt ihn mit einer Titeländerung zu verdecken."

 

Das Opfer kommt den ganzen Abend lang nicht zu Wort. Es wurde erschossen, bevor das Stück begann. Koloniale Überheblichkeit der Franzosen: Ein Hund gilt mehr als ein Neger. Doch nun kommt der Bruder und fordert im Namen der Familie den Leichnam heraus. Die Täter spielen auf Zeit. Der Mord soll als Unfall erscheinen. An dieser Stelle bekommt der Titel eine zweite Bedeutung: Der Neger wird verstrickt in einen Kampf mit den weissen Hunden. Es geht dabei um Anstand, Würde und Gerechtigkeit.

 

Indem die Inszenierung das Stück durch Abstraktion auf eine höhere Ebene bringt, verallgemeinert sie die Thematik, ohne den Dialog, der weiterhin in Afrika spielt, anzutasten. Damit wird das Fremde vertraut und das Vertraute fremd. Für diese Art von Traumdynamik entwickelt die Regie eine eigenständige, eindringliche Sprache. Sie macht die Burgtheater-Produktion des "Kampfs des Negers und der Hunde" vorbildlich und erweitert die Bühnenerfahrung der Besucher auf lange Zeit.

Der Kampf der Hunde. 

 
 
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