Antinaturalistisch und überdreht. © Martin Kaufhold.

 

 

 

Shakespeare in Love. Marc Norman, Tom Stoppard.

Schauspiel nach dem Drehbuch der Obgenannten.

Bettina Bruinier. Saarländisches Staatstheater Saarbrücken.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 4. Februar 2019.

 

 

Die Pointe steht im Programmheft. Die Vorstellung jedoch beginnt jämmerlich. Shakespeare hat Schreibhemmungen. Die Einfälle fliessen ihm nicht mehr zu. Die Metaphorik ("Du bist wie ein Sommermorgen") ist versiegt. Der arme Shakespeare-Darsteller zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen (um mal selber eine Metapher zu gebrauchen). Und wie immer, wenn unbegabte Leute Komik herstellen, ist die Spielweise antinaturalistisch, überdreht, repetitiv und verhaspelt. Also lässt Shakespeare seine Feder in fliegender Hast übers Papier fahren, bevor er die zerknäuelten Bögen verzweifelt auf die Vorbühne wirft.

 

Eine Viertelstunde ist um. Immer noch ist Shakespeare nicht weiter. Die eine oder andere Person ist zwar dazugetreten, aber die Exposition der Schreibschwierigkeiten dauert an. Auch nach einer halben Stunde hat das Stück noch nicht abgehoben. Nach 45 Minuten tritt eine Frau ins Spiel, und da weiss man: Sie ist's! Schliesslich heisst das Ding "Shakespeare in Love".

 

Doch nun dauert es weitere dreiviertel Stunden, bis sich die beiden Hauptpersonen die Liebe gestehen. Dann wird das Publikum in die Pause entlassen. Die Handlung aber sitzt immer noch fest. Shakespeare hat das Stück mit dem Titel "Romeo" noch nicht zuende geschrieben, und der Zuschauer weiss noch immer nicht, worum es bei "Shakespeare in Love" eigentlich geht.

 

Es müssen gleich mehrere Sicherungen verbrannt sein, damit die Produktion überhaupt zur Premiere kam. Zuerst einmal bei der Dramaturgie: Niemand hat gemerkt, dass die Handlung nicht trägt. Niemand hat Einspruch erhoben gegen die Fadesse eines anderthalbstündigen Dümpelns.

 

Dann der Sicherungskasten der Schauspielleitung: Niemand hat gemerkt, dass der Regie das Metier fehlt. Die Inszenierung hat kein Gespür für Rhythmus, und sie hat keine Einfallskraft; von Humor wollen wir gar nicht erst reden. Warum hat niemand die Regie ausgewechselt?

 

Eine einzige Chance hat das Theater noch: Wenn es nach der Pause sämtliche Minen springen lässt und die Vorstellung mit einem Feuerwerk beendet. Dann geht die Rechnung auf, und der Kritiker wird sich reuevoll an die Brust schlagen: Warum habe ich das Genie in der ersten Vorstellungshälfte verkannt?!

 

Doch die bescheidene Produktion verzichtet auf jeden Ansatz zum genialen Dreh und spult stattdessen den dünnen Handlungfaden weiter: Will (Shakespeare) und Viola (de Lesseps) schmachten und verzichten. Zur Heirat kommt es nicht. Um diesen Schmerz auszudrücken, greift das Stück zur Überblendung mit Szenen aus "Romeo und Julia". Will spielt den Romeo, Viola die Julia. Und das Publikum reagiert wie ein Hund: Sobald Bekanntes erscheint, wedelt es.

 

Nach dreieinhalb Stunden ist die Vorstellung aus. Die Zuschauer erheben sich zum Applaus von den Stühlen. Zusammengesunken sitzt der Kritiker da und versteht die Welt nicht mehr. Aber vielleicht tickt das Saarland wirklich anders als der Rest der Bundesrepublik? Witze dazu gibt es ja zur Genüge. Und nun liefert das Programmheft noch die Pointe. Da steht nämlich unter dem Namen der Regisseurin: "Seit der Spielzeit 2017/2018 ist Bettina Bruinier Schauspieldirektorin am Saarländischen Staatstheater." Das erklärt viel.

Mit fliegender Feder ... 

... in den Flop ...

... unmöglicher Liebe.

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