"Sei ängstlich, wenn andere gierig sind." © Gabriela Neeb.

 

 

 

Volpone. Ben Johnson/Stefan Zweig.

Komödie.

Abdullah Kenan Karaca, Vincent Mesnaritsch, Elke Gattinger. Münchner Volkstheater.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 16. Januar 2019.

 

 

Keine grosse Sache. Bloss eine Komödie. Allerdings eine, die sich seit 1606 auf dem Theater hält. Da muss was drin sein. Und es ist: Die Darstellung der Gier. Das Thema hat seine Relevanz. Am Tag der Aufführung zitiert die "Süddeutsche Zeitung" einen Tip von Warren Buffett: "Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind." So läuft's an der Börse. Und so läuft's in "Volpone", zweihundert Jahre nach Erfindung der Börse (1409 in Brügge). Abdullah Kenan Karaca arbeitet das am Münchner Volkstheater gescheit und schnörkellos heraus.

 

Gescheite Schnörkellosigkeit kann man sich nur leisten, wenn das Stück trägt. Darum begegnet man ihr heute so selten. Die Faszination entsteht dann aus dem Text. Er schafft die Intrige. Er transportiert Impulse, Gedanken, Wünsche, Begierden. Er verknäuelt die Dinge, die Menschen, die Verhältnisse so, dass man sich aus der Verwicklung in die (Er-)Lösung sehnt. Mehr als jedes andere Medium schafft Sprache Komplexität, Vielschichtigkeit im Spannungsaufbau, Wechsel von Gefühlslagen und Perspektiven - von Erkenntnis wollen wir gar nicht erst reden. Gerade in einfachen Stücken wie "Volpone" ist das deutlich zu sehen.

 

Der Erfolg ruht dann weniger bei Regie, Bühnenbild (Vincent Mesnaritsch) und Videodesign als bei den Schauspielern. Das Volkstheater hat ein paar vorzügliche. Einwandfrei getroffen sind Mosca (Jakob Immervoll), Voltore (Jonathan Müller), Corvino (Jonathan Hutter) und Canina (Nina Steils). Unterstützt von trefflichen Kostümen und Frisuren (Elke Gattinger) halten sie als scharf gezackte Rädchen die Komödienmaschinerie am laufen. Peter Mitterrutzners Corbaccio nehmen wir aus. Der ist Extraklasse. Bei ihm fliesst ein ganzes langes Schauspielerleben in die Darstellung ein. Davor geht der Kritiker in die Knie. Die Dimensionen, die hier spürbar werden, erinnern an die berühmte Etretat-Anekdote. Als Courbet eben in der Normandie die Felsen gemalt hatte und prüfend von der Leinwand zurücktrat, kam ein Tourist vorbei: "Meister, wie lange haben Sie für dieses Bild gebraucht?" Gustave Courbet: "Fünfzig Jahre."

 

Diese fünfzig Jahre hat Silas Breiding noch vor sich. Der Schauspieler würde einen glaubhaften Horatio abgeben (Hamlets Freund). Einen vorzüglichen Melchior (in "Frühlings Erwachen"). Einen feinen Otto von Aigner (im "weiten Land"). Warum er aber den Volpone spielt, ist eines jener nicht nachvollziehbaren Rätsel, von denen die Welt voll ist. Man kann sich jedoch das Grübeln ersparen, wenn man sich mit dem Wort "Fehlbesetzung" zufrieden gibt. Dann braucht man auch nicht über die gebrochene Darstellung der Colomba durch Carolin Hartmann nachzudenken.

 

Bei Erarbeitung der Produktion war Regisseur Abdullah Kenan Karaca 27 Jahre alt. Heute, mit 29, würde er die Rollen vielleicht schon anders besetzen. Dann wäre sein "Volpone" eine runde Sache.

Corbaccio (oben) ist Extraklasse.

Geld und Gier regieren die Welt.

Und, vergessen wir's nicht: Auch der Liebestrieb. 

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