Elisabetta: Ein hoheitsvoll entsagendes Weib. © Herwig Prammer.

 

 

 

Elisabetta, regina d'Inghliterra. Gioacchino Rossini.

Oper.                  

Jean-Christophe Spinosi, Amélie Niermeyer, Kristen Dephoff. Theater an der Wien.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 23. März 2017.

 

 

Ein neidzerfressener, abgrundtief schurkischer Intrigant. Zwei edle, unerschütterlich treue Liebende, die bereit sind, für einander in den Tod zu gehen. Ein liebendes, racheforderndes, aber schlussendlich hoheitsvoll entsagendes Weib: Elisabetta, Königin von England. Dazu ein Chor, der dazu dient, den Aktbeginn und Aktschluss effektvoll zu markieren, und drei Nebenrollen, die in der Funktion von Vertrauten den Solisten die Gelegenheit bieten, jemanden anzusingen. – Mit diesem Material entwickelt der 23jährige Gioacchino Rossini ein dramma per musica, das sich dadurch auszeichnet, dass es vom Theater keinen Aufwand verlangt: Keine Verwandlung, keinen Kostümwechsel, kein Feuerwerk, keine Maschinerie. Man kann es im Ballsaal eines Schlosses aufführen oder konzertant, fehlen wird nichts.

 

Dieser Umstand erklärt vielleicht, warum die Oper gleich nach der Uraufführung in Vergessenheit geriet, und zwar so gründlich, dass Rossini kurze Zeit später die Ouvertüre, die bereits bei "Aurelio in Palmira" bachab gegangen war, für den "Barbiere di Siviglia" recyceln konnte. Und es lag daran, dass keine Arie aus der gefälligen, aber allzu gleichmässigen Faktur des Werks heraussticht.

 

Zu dieser kargen Anlage des Werks hat nun Regisseurin Amélie Niermeyer wenig hinzugetan, und das, was sie hinzutat, war schon zu viel. Zentraler Bestandteil der Inszenierung sind drei Dutzend Reifröcke, in die Elisabeth und die Choristen schlüpfen müssen (Kostüme: Kristen Dephoff). Ihre Stahlstangen symbolisieren das eherne Korsett, in das die Macht den Menschen zwängt. Aber so steif die Röcke sind, sie nützen sich bald ab, und als Bildidee vermögen sie die dreistündige Aufführung nicht zu tragen.

 

Daneben verrät sich die Handschrift der Regisseurin dadurch, dass sie die Ouvertüre bespielen lässt, und da schon übernimmt ein fataler Reifrock die Hauptrolle. Wie eine Zimmerpflanze auf Rädern wird er vom Haushofmeister mal da, mal dorthin geschoben, und die unsensible szenische Intervention zerstört nach wenigen Takten bereits die Architektur der Ouvertüre, die das Ensemble Matheus aus Brest unter seinem Dirigenten Jean-Christophe Spinosi so klug und feinsinnig gestaltet, dass es ist, als höre man die Nummer zum ersten Mal, bzw. zum ersten Mal als Musik.

 

So ist das Orchester das eigentliche Ereignis des Abends. Von der historischen Aufführungspraxis inspiriert, spielen seine jungen, hochmotivierten Musiker trocken, federnd und mit jener unaufgeregten, beiläufigen Sicherheit, mit der man sich in der Muttersprache ausdrückt. Genauso souverän ist Spinosis Zeichengebung. Weder dirigiert er fürs Publikum noch bevormundet er die Musiker. Als Primus inter pares unterstützt er sie, den Ton zu finden und die Partitur so einwandfrei umzusetzen, dass kein Wunsch mehr offen bleibt.

 

Die sängerischen Leistungen wurden von der Wiener Presse unterschiedlich beurteilt. Das Spektrum reichte von "sehr gut" (Standard) zu "ordentlich" (Kurier). Für einmal deckt sich das Urteil der "Stimme" mit dem des "Kuriers".

Der Chor markiert Aktbeginn und Aktschluss.

 
 
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