Uliana Alexyuk gibt auch auf dem Plakat die Julia ab. © Felix Grünschloss.

 

 

 

I Capuleti e i Montecchi. Vincenzo Bellini.

Oper.                  

Daniele Squeo, Tilman Hecker, Raimundo Orfeo Voigt. Badisches Staatstheater Karlsruhe.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 23. Februar 2017.

 

 

Die Aufführung ist geprägt durch den Einfall, die Bühne zu dritteln. Nicht horizontal jedoch, sondern vertikal. So wird die kleine, metallisch graue Spielfläche mit den beiden runden Lifttüren links und rechts drei Mal übereinander gesampelt.

 

Auf die Rückwand ist kniehoch unfruchtbare, felsige Erde gemalt. Damit drückt das Bühnenbild von Raimundo Orfeo Voigt den Gegensatz von sauberer, rationaler Oberfläche und archaischem Urgrund aus. Die Botschaft ist klar: Auf diesem Boden kann Liebe nicht gedeihen.

 

Die Teilung des Bühnenvolumens in drei flache, rechteckige Kuben hat den Vorteil, dass das Geschehen an die Rampe gerückt wird. Dadurch entstehen, akustisch betrachtet, drei kleine Klangmuscheln, die den Gesang in den Zuschauerraum werfen, was dem Belcanto zugutekommt. Anderseits müssen die Besucher auf den teuren Plätzen den Kopf hart ins Genick werfen, um das Geschehen auf den oberen Etagen verfolgen zu können.

 

Dass mit der Verengung der Spielfläche auch die Bewegungsmög­lichkeiten eingeschränkt werden, dürfte die Sänger nicht gestört haben. Vielleicht auch nicht den Regisseur Tilman Hecker. Denn seine Aufgabe besteht während der ganzen Aufführungsdauer vornehmlich darin, die Folgen des Einfalls zu bewältigen: Welche der drei kleinen Bühnen wird bespielt, und warum die und nicht die andere?

 

Auf diese Frage bleibt die Inszenierung die Antwort schuldig. Um das Problem zu vereinfachen, löscht sie manchmal das Licht im einen oder andern Raum. Dann lässt sie eine Person im einen Stock agieren und den Partner im andern antworten, wie wir das von den virtuellen Spielbrillen her kennen. Dadurch sollen wohl die Abgründe zur Darstellung kommen, die die Menschen voneinander trennen. So tastet die Regie die Möglichkeiten des dreigeteilten Bühnenbilds in die eine oder andere Richtung aus, doch bleibt sie am Ende in unentschiedenem optischem Geklimper stecken.

 

Um so wichtiger sind unter diesen Umständen die Stimmen. Sie müssen die Aufführung aus dem Desaster reissen, und sie tun's. Uliana Alexyuk, die auch auf dem Plakat die Julia abgibt, meistert ihren Part mit beeindruckender Akkuratesse. Kein Backfisch, sondern eine tragische Heldin der Luxusklasse. Ebenso Kristina Stanek als Romeo. Dass sie einen blonden Bart tragen muss, gehört zur Sorte von Einfällen, die keine Erhellung bringen, so wenig wie die Koitalstellung, in der die beiden Protagonistinnen das Liebesduett aushauchen.

 

Mit der Verkleinerung der Spielfläche geht die Verkleinerung des Chors einher. Die Aufführung bezahlt dafür mit dem Verlust von Wucht und Homogenität. Unkoordiniert wirken die Choristen aber nicht nur in ihrem Gesang, sondern auch in ihren Bewegungen; ein Mangel, der sich fortsetzt bis in die Statisterie, so dass sich angesichts der langen Spieldauer (Premiere war im Juni 2016) nur drei Erklärungen anbieten: Entweder ist die Aufführung noch immer nicht bewältigt oder sie ist schon am Auseinanderfallen oder die Künstler hatten einen schlechten Tag.

 

Vielleicht geht auch auf die astrologische Konstellation des 10. Februar 2017 zurück, warum die Ouvertüre so beängstigend verwackelt wurde, dass man wünschte, der Chef würde abklopfen. Später, bei der Begleitung der Solisten, hatte Dirigent Daniele Squeo die badische Staatskapelle zwar fest in der Hand, aber im letzten Bild fielen Chor- und Orchesterstimmen wieder schmerzhaft auseinander. Trotzdem bedankte sich das Publikum für die ramponierte Vorstellung mit südlicher Wärme, und das schüchterne Buh der Dame auf dem Nebensitz drang nur gerade ins Ohr des Kritikers aus Bümpliz.

Die Spielfläche wird gedrittelt und übereinandergesampelt.

Dafür muss man in den vordersten Reihen den Kopf ins Genick werfen.

Um Zweideutigkeit zu verhindern, trägt die Sängerin von Romeo Bart.

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