Das Konzert. Hermann Bahr.

Komödie.                  

Felix Prader, Werner Hutterli. Burgtheater Wien.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 28. Januar 2016.

 

 

Die Burgtheater-Chefin Karin Bergmann, die unter Claus Peymann viele Bernhard-Uraufführungen begleitet hat, klagte kürzlich, die jungen Autoren könnten nicht mehr fürs Theater schreiben. Was Dialogkunst heisst und wie man eine zeitgemässe Komödie macht, hat indes der Theaterkritiker Hermann Bahr mit seinem Lustspiel "Das Konzert" 1909 vorgeführt. Er wies damit nach, dass er nicht nur Besserwisser, sondern auch Besserkönner sei. Eine seltene Doppelbegabung.

 

Vor einem Jahr kam "Das Konzert", ein brillantes Konversa­tionsstück, in einer Neuinszenierung von Felix Prader im Akademietheater auf die Bühne. Wegen seines anhaltenden Erfolgs wurde es diesen Herbst ins dreimal grössere Burgtheater verpflanzt, wo es weiterhin für ausverkaufte Vorstellungen sorgt. Das Wiener Publikum ist eben noch gewohnt (man könnte auch sagen: geschult), mit genauer Aufmerksamkeit zweieinhalb Stunden lang komplexen Verhandlungen zu folgen, die nur im Wort geführt werden, und so ist es gleichermassen in der Lage, ein Soufflé wie Bahrs Lustspiel zu geniessen und einen Brocken wie Schillers "Don Carlos" zu würdigen, ohne dass, wie vielerorts üblich, achtzig Prozent des Texts weggekürzt und durch "action" oder Musikeinlagen ersetzt werden müssen.

 

Fürs "Konzert" nahm Hermann Bahr die Themen auf, die zu seiner Zeit in der Luft lagen: Kunstschwärmerei (heute wäre es Sport) und eheliche Untreue (heute wären es Alleinerziehende). Um daraus zweieinhalb Stunden pures Vergnügen zu gewinnen, spann er einen nie abreissenden Dialogfaden, durch den er Situationen, Personen und Gedanken dermassen virtuos verarbeitete, dass ein raffiniertes, mehrschichtiges, ästhetisch hochbefriedigendes Gewebe entstand, ein Text eben - ein Theatertext.

 

Im "Konzert" wissen die Zuschauer immer etwas mehr als die Figuren (dadurch entsteht das komödiantische Gefälle), und sie wissen immer etwas weniger als der Autor (dadurch entstehen die Überraschungen). Wenn jetzt noch auf Tempo und blitz­schnelles Umschlagen der Situation geachtet wird, entsteht eine Komödie, die sich – zumindest in Wien – jahrzehntelang im Repertoire halten kann, wie die Lustspiele von Raimund, Hofmannsthal, Molnár und eben Bahr beweisen.

 

Unter der Regie von Felix Prader macht das Burgtheater nun vor, dass sich Wirkung und Kunstcharakter einer solchen Komödie steigern, wenn es gelingt, die Figuren über den Typus hinaus zu entwickeln, statt sie, wie das andernorts aus Mangel an Talent oder Kunstsinn vielfach geschieht, auf die Karikatur der Karikatur zu reduzieren. Bei aller Deutlichkeit der Zeichnung erhalten so die Figuren einen lebendigen Kern. Und dieser Kern - den die Burgschauspieler mit ihrer Persönlichkeit ins Spiel bringen – macht, dass die Komödienfiguren nicht leer, schemenhaft oder verzappelt wirken, wie es anderswo der Fall ist.

 

Das Geheimnis liegt darin, dass hier bei aller Leichtigkeit ein Ernst bei der Sache ist, der die Aufführung adelt und die Handlung aus dem Stumpfsinn des Schwanks herausführt. Damit schafft das Sechsgestirn der grossen Namen Peter Simonischek, Regina Fritsch, Florian Teichtmeister, Stefanie Dvorak, Branko Samarovski und Barbara Petritsch einen "Konzert"-Genuss, den nur das Burgtheater bieten kann. Die andern Theater haben längst erkannt, dass es für sie gescheit ist, die Finger von diesem Lustspiel zu lassen, wie auch von "Minna von Barnhelm" und "Amphitryon". Sie würden sich übernehmen.

 

Wie schwer es ist, den leichten Ton zu treffen, zeigt das erstaunlich klobige, unerwartet hässliche und störend unästhetische Bühnenbild des Berners Werner Hutterli. Statt die Handlung zu unterstützen, dämpft es in seiner tapsigen Wucht den Geist des Lustspiels. Fürwahr, Aare und Donau sind Flüsse unterschiedlicher Grösse.

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