Illegale Helfer. Maxi Obexer.

Peter Arp. Schauspielhaus Salzburg.                  

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 27. Januar 2016.

 

 

Die neue Lage, die durch die Flüchtlinge in Europa geschaffen wurde (allein im Hauptpostamt Linz schlafen pro Nacht 600 Menschen), hat nun auch eine neue Form des Theaters hervorgebracht. Am Mittwoch, den 13. Januar 2016, ging es im Schauspielhaus Salzburg zum ersten Mal über die Bühne. Erfunden hat es Maxi Obexer, Dozentin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, zuvor Stipendiatin des Literarischen Colloquiums Berlin, der Akademie der Künste Berlin, der Stiftung Preussische Seehandlung und der Akademie Schloss Solitüde, Stuttgart. – Und nun hat die Frau mit dem beeindruckenden Curriculum (sie war auch Dramaturgin am Maxim Gorki Theater Berlin und an der Hörspiel-Abteilung des Westdeutschen Rundfunks) die Form des totalitären Theaters in die Welt gebracht.

 

"Totalitär" bedeutet: Es gibt nur einen Standpunkt. Den richtigen. Wer ihn nicht teilt, ist kein guter Mensch. Er gehört nicht zur Gemeinde der Rechtgläubigen, er ist verworfen: vor Gott, der Moral und den Menschenrechten, wie sie das Stück auffasst und zitiert.

 

Das totalitäre Theater, das Maxi Obexer der Welt geschenkt hat, ist seiner Natur nach undramatisch. "Drama" nämlich bedeutet Gegensatz, Auseinandersetzung, Für und Wider. Ein Stück aber, das nur eine Seite laut werden lässt, kann Handlung nicht aufkommen lassen. Denn Handlung erwächst daraus, dass eine Position in Konflikt gerät mit einer andern, die das Gegenteil sagt (oder will). Dadurch entsteht auch erst Spannung. Dabei haben die Autoren des dramatischen, das heisst: nicht-totalitären Theaters, gemerkt, dass die Wirkung des Stücks zunimmt, wenn die Hauptperson nicht gut ist, sondern schlecht (Salieri, Don Giovanni, Faust, Richard III., der Geizige). Und noch interessanter sind die ambivalenten Hauptfiguren, weil ihr Schicksal die Zuschauer am Ende des Stücks weiterbeschäftigt: Peer Gynt, Shen Te/Shui Ta, Wallenstein.

 

Auf diese Weise machte das alte, dramatische Theater Erkenntnis möglich. Das neue, totalitäre Theater strebt sie nicht mehr an. Es hat sie schon. Die Wahrheit entspricht bei ihm einem Bahnhof, in den man "einfach hineindampfen" kann (Friedrich Dürrenmatt). Und wenn man hineingedampft ist, ist es vorbei mit der Bewegung. Das Theater bleibt an derselben Stelle, es ist erstarrt.

 

Konsequenterweise hat Peter Arp denn auch statisch inszeniert. Die neun Schauspieler, die jenen Personen eine Stimme geben, die als "illegale Helfer" abgetauchten Flüchtlingen helfen, stehen nebeneinander in einer Linie, alle gleich gekleidet mit schwarzer Hose, schwarzem Pullover, schwarzer Kapuze. Wenn sie sprechen, werden sie vom Scheinwerfer erleuchtet. In den Texten geht es stets darum, dass die Helden nicht anders konnten als zu helfen, jeder an seinem Ort.

 

Das Stück, beim Westdeutschen Rundfunk als Hörspiel bereits uraufgeführt, hat die übliche Hörspiellänge: 56 Minuten. Man könnte es auch auf die Hälfte kürzen. Fehlen würde nichts. Immer noch bliebe die Botschaft unangetastet, dass die illegalen Helfer vorbildlich handelten.

 

Indem aber das totalitäre Theater den Widerspruch ausschliesst und keine Fragen zulässt, ist es monoton (zu deutsch: eintönig) und anti-aufklärerisch. Es trägt Glaubenswahrheiten vor, wo es doch - wie Georg Christoph Lichtenberg um 1780 formulierte - darum ginge, "Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall".

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