I Colombaioni.

Clownnummern.

Gastspiel im Aulaverein Bolligen.

Der Bund, 8. November 1979.

 

 

Heimkehr ins Verlorengeglaubte

 

Die Clowns, wie wir sie vom Zirkus her kennen und denen Fellini ein ergreifendes Denkmal gesetzt hat, diese Clowns mit der roten Perücke, den flatternden Hosen und den langen Schuhen gehören der Vergangenheit an. Heute unterscheiden sich die Leute, die sich Clowns nennen, nicht von unsereinem. Sie tragen einen Alltagsanzug von der Stange, unauffällige Schuhe aus dem Warenhaus, einen gängigen Haarschnitt. Ihre Gesichter sind ohne besondere Merkmale.

 

Auch die Dekors und Requisiten sind nicht mehr wie ehedem. Da findet man nicht mehr die bunten Kinderfarben, häufig zu Karomustern kombiniert, die Gegenstände sind nicht mehr gross, unhandlich und übertrieben. Man sieht sie nicht mehr, die Pauken, so gross wie ein Fass, und die Geigen, so klein wie eine Zigarettenschachtel. Das alles war einmal.

 

Heute, in unserer illusionslosen, ausgewachsenen und müden Welt ist auch bei den Clowns das Nüchterne eingezogen. Sie treten auf wie Conférenciers, vor einem beliebigen, völlig nichtssagenden Dekor, und sie arbeiten mit banalen Plastikbechern und maschinell gefertigten Kleiderbügeln.

 

So war es auch bei den Colombaioni Carlo und Alberto, die in Bolligen auftraten. Nichts, nichts, nichts, womit sie äusserlich an die grosse sterbende Clowntradition anknüpften.

 

So war es am Anfang, während der ersten zehn Sekunden. Doch noch während Carlo die Einleitungsworte sprach, begann von der Bühne her der uralte Zauber der Saltimbanchi zu wirken, und wieder redete etwas zum Tiefsten in uns und setzte Gefühle der Brüderlichkeit mit denen auf der Bühne und mit denen im Saal frei, und für zwei Stunden wurde der Traum ungestörter Glückseligkeit konkret erlebbare Realität. Es war, wie wenn man heimkehrte in eine Heimat, die man längst verloren geglaubt und aufgegeben hatte. Doch neben dem tiefsten Gefühl wurde in dieser Vorstellung der Colombaioni auch der schärfste Kunstverstand vollkommen zufriedengestellt und beglückt, denn die handwerkliche Kunst der Colombaioni hat den Grad unüberbietbarer Perfektion erreicht. Man merkt, dass sie mit diesen Nummern nicht vergebens zehn Jahre lang aufgetreten sind. Jetzt nämlich sind sie im wahrsten Sinne ausgefeilt. Es gibt keinen platten, unergiebigen Moment mehr darin zu tadeln, sondern jedes noch so kleine Detail ist im Feuer unzähliger Vorstellungen erprobt und geläutert worden. Und gleichzeitig haben sich die Colombaioni dabei eine Sicherheit der Improvisation angeeignet, dass von ihnen eine ganz starke, ununterbrochene Menschlichkeit ausstrahlt.

 

Und wo werden sie ihrerseits zu einer Art Symbol. Zum Symbol dafür, dass Kunst frei macht. Insofern sind selbst die Auftritte von Clowns hoch politisch.

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