Play Auerbach! Avishai Milstein.
Eine Münchner Erinnerungsrevue.
Münchner Kammerspiele.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 11. Dezember 2025.
> Mit der Erinnerungsrevue "Play Auerbach!" fragen die Münchner Kammerspiele, "warum der Antisemitismus den Zweiten Weltkrieg überlebte und warum er heute wieder so sprunghaft angestiegen ist". Doch am Abend der Uraufführung wird das Projekt schon von der Aktualität überholt: Irland, Holland, Slowenien und Spanien teilen mit, dass sie den europäischen Gesangswettbewerb boykottieren werden, weil Israel am ESC zugelassen bleibt. Belgien, Island, Schweden und Finnland beabsichtigen, der Veranstaltung ebenfalls fernzubleiben. Den Anstoss bildet der Massenmord an der palästinensischen Zivilbevölkerung durch den jüdischen Staat im Rahmen des Gaza-Kriegs. Von dieser Wurzel des Antisemitismus spricht die Erinnerungsrevue nicht. Deshalb wird die Aufführung unbefriedigend. "Schwierige Sachen sind schwierig." (Walther Killy). <
Als die Münchner Kammerspiele den Entschluss zu "Play Auerbach!" fassten, bewegte sich die Welt noch in einigermassen geordneten Bahnen. Der amerikanische Präsident hiess noch Joe Biden. Die Interaktion zwischen den Staaten lief noch nach Regeln. WHO und IKRK konnten den Ärmsten noch helfen. Die deutsche Wirtschaft legte noch zu. Von existenzbedrohenden Subventionskürzungen im Münchner Kulturetat war noch nicht die Rede. Die Hamas hielt das Massaker an der israelischen Zivilbevölkerung noch auf der Planungsstufe. Wenn damals von "Schuld" die Rede war, blickte man zurück.
In jener Zeit wählte Autor Avishai Milstein für seine "Münchner Erinnerungsrevue" das Jahr 2045. Er ging von der Annahme aus, an diesem Zukunftsdatum werde man auf das Weltkriegsende zurückschauen und damit auch auf die Befreiung der Juden aus den Konzentrationslagern. Man werde fragen, warum die Überlebenden Bayern gemieden hätten und stattdessen nach Amerika und Palästina ausgewandert seien.
Die Kombination dreier Zeitebenen (1945: zerbombtes München, 2025: gegenwärtiges München, 2045: künftiges München) schien dem Revueautor Raum für ein humorvolles, kritisches und selbstironisches Spiel mit der Judenfrage zu bieten.
Humor ist der effizienteste Schutzwall, den es gibt. Ich wünsche mir tatsächlich, dass statt Raketen Witze geschossen würden, und Gegenwitze statt Abfangraketen.
Avishai Milstein wählte als Form das Theater im Theater: Eine Amateurtruppe, wiedergegeben von den Profis der Kammerspiele, probt 2045 eine Revue über die Persönlichkeit und die Vision Philipp Auerbachs in dem seit 2030 stillgelegten Haus an der Maximilianstrasse. (Zu dem Zeitpunkt sollen die Subventionskürzungen das Ende der Münchner Bühnen gebracht haben.)
Durch den Beitritt eines unangemeldeten Fremden, der als Jude den Juden Auerbach zu verkörpern begehrt, wird die gespielte Imperfektion in die gespielte Improvisation hinaufkatapultiert. Angesichts der verschachtelten Konstruktion spricht Dramaturgin Viola Hasselberg von einer "auf der Rasierklinge des schwarzen Humors balancierenden Erinnerungsrevue".
Doch im Saal lacht niemand. Das Thema ist zu ernst. Philipp Auerbach, überlebender KZ-Häftling, versuchte nach dem Krieg, Deutsche und Juden durch Wiedergutmachung zu versöhnen. Aber 1952 verurteilte ihn ein Richterkollegium, das aus ehemaligen Nazis bestand, zu zweieinhalb Jahren Haft. Daraufhin nahm er sich das Leben: "Ich kann dieses entehrende Urteil nicht weiter ertragen." Zwei Jahre später rehabilitierte ihn ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags vollumfänglich. Die Geschichte spiegelt das problematische Verhältnis zwischen Deutschen und Juden.
Doch der Inhalt ist eins, die Form ein anderes. Dass die Revue nicht trägt, liegt an ihrem schwachen Fundament: Die Probe einer Laientruppe mit ihrem Gemenge von Stück- und Kommentarpartikeln bringt nun mal Breite und Betulichkeit anstelle von Rasanz, Perfektion, Biss und Schmiss. Und das Übereinanderstapeln von Metaebenen steigert die Schwerfälligkeit zusätzlich. Deshalb wird die Aufführung unbefriedigend. Das ist elementar, mein lieber Watson.
Nach dem Krieg.
Da gäbe es zu reden.
Denn vieles lastet.
