Herbst in Paris
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 11. Oktober 2025.
** Une pièce sous influence. Martin Legros.
Schauspiel.
Sophie Lebrun und Martin Legros. La Cohue im Théâtre du Rond-Point, Paris.
> Das Stück ist aus der Improvisation erwachsen. Man merkt es der Aufführung an. Sie ist geprägt von den Stärken und Schwächen der Entstehungsart. Jedes Mitglied ist perfekt in der Rolle. (Sie wurde ihm ja auch auf den Leib geschrieben.) Die Dialoge blitzen. Aber die Handlung hat kein Ziel. Der Theaterdichter fehlte. Fachkräftemangel. <
Im Vorkapitel seines "Führers zu Psychiatrie und Psychoanalyse" erklärte der Vater der Transaktionsanalyse Eric Berne:
Während viele der Fallgeschichten alltägliche Vorkommnisse veranschaulichen, sollen einige von ihnen eindeutige Arten von psychischen Erkrankungen und emotionalen Anomalien illustrieren, d. h. pathologische Persönlichkeitstypen beschreiben. In solchen Fällen können die behandelten Situationen und Reaktionen dem Leser gelegentlich ungewöhnlich vorkommen. Das ist jedoch eher eine Frage des Masses als der Qualität. Bei genauer Betrachtung wird der Leser feststellen, dass die Intensität der Reaktionen unserer Probanden manchmal zwar erschreckend sein mag, ihre Reaktionsweisen jedoch keineswegs einzigartig sind. Die Geschichten dienen dazu, durch Übertreibung Dinge hervorzuheben, die jeder bis zu einem gewissen Grad in sich selbst und in seiner Umgebung finden kann. Das bedeutet, dass "psychisch Kranke" keine speziellen Instinkte haben, sondern bloss auf andere Weise allen Menschen gemeinsame zum Ausdruck bringen.
Im Rahmen solch verschobener, aber durchaus wiedererkennbarer Realität spielt La Cohue aus Caen ihre "Pièce sous influence" in Paris. Für die Schauspieler ein Labsal. Als scharfe Beobachter von Berufs wegen erfassen sie meisterhaft das Typische in seinen extremen Ausprägungen: einerseits in der Banalität von jedermanns Alltag, andererseits in der individuellen Verstiegenheit der Spinner. Durch Improvisation haben die Darsteller eine Situation entwickelt, in der sich Normalität und Verrücktheit kreuzen. Sie spielt an Karneval.
Anfangs durchschaut das Publikum die Lage nicht. Es sieht eine Frau hereinkommen, der eine Axt im Hirn steckt, und einen Mann, über dessen Kopf ein Blecheimer gestülpt ist. In Kontrast zum befremdenden Äusseren steht der Dialog. Er bringt das wohlbekannte Gekeif angejahrter Eheleute. Spannung entsteht dadurch, dass ein zweites Paar auftaucht. Der Mann steckt im Batman-Kostüm, die Frau trägt das ihre zusammengefaltet im Arm. Das neue Paar will das Haus des alten kaufen. Damit beginnen sich die Fäden in Vergangenheit und Zukunft zu erstrecken.
Was gesagt wird, ist nicht in allen Punkten wahr. Die Sprache dient nicht nur zur Information, sondern auch zur Kulisse, zur Täuschung, zum Angriff, und darüber hinaus zur Manipulation und Blossstellung der andern. Pinter stand Pate. – Mit der Zeit treten Motive ins Gesichtsfeld. Das mittelalterliche Paar muss das Haus verkaufen, weil es vom Unfalltod der vierjährigen Tochter durcheinandergebracht wurde. Der Vater sass am Steuer. Unausgesprochene Schuld und unausgesprochene Vorwürfe führen zu subaggressiven Ausfällen, Verstellung, Pose, Alkoholexzessen und Bizarrerie.
Auch bei den Käufern tritt Eigentümliches ans Licht. Sie bekennen sich zum Katholizismus. Das Gebot "Seid fruchtbar und mehret euch!" erfüllen sie durch die Herstellung einer kinderreichen Familie, und infolge der Ermahnung "Das Weib sei dem Manne untertan!" stellt die Frau ihren Wunsch nach dem Medizinstudium zurück.
Schliesslich steht auch das Haus auf der Kippe. Weitgehend geräumt, wirkt es in der Nacht zwischen Auszug und Einzug ungastlich. Für seine Räume sind die Menschen und Gegenstände bloss Vorübergehende. Nun kreuzt sich hier der Wunsch nach dem ewigen Andenken ans verstorbene Töchterlein mit dem Wunsch nach Abtragung von Mauern, um Licht und Durchlässigkeit für kommende Kinder zu gewinnen.
Die gegensätzlichen Motive gestalten die Handlung zum torkelnden Weg eines Betrunkenen in der Karnevalsnacht. Die vier Spieler sind voll in der Rolle. (Sie wurde ihnen ja auch auf den Leib geschrieben.) Die Dialoge blitzen. Die Darsteller des mittelalterlichen Ehepaars inszenieren sich und die Jungen selbst. Daneben schreibt der Papa-Darsteller die in gemeinsamer Improvisation erarbeitete Spielvorlage nieder. Die Verbindung zwischen allen könnte stärker kaum sein. Aber das Ganze läuft auf nichts hinaus. Da liegt der Unterschied zwischen den Stücken von Thomas Bernhard und der "Pièce" von La Cohue. Aber was will man? Die Handlungsbauer sind heute abgewandert in die Serien und zu den Filmen. Im Theater fehlen sie.
* La Corde (The Rope). Patrick Hamilton.
Schauspiel in der Bearbeitung von Lilou Fogli und Julien Lambroschini.
Guy-Pierre Couleau. Théâtre Marigny, Paris.
> Ein gut gebautes, unterhaltsames, spannendes Stück, szenisch einwandfrei umgesetzt. Lucie Boujenah (38) als Verlobte ist stark, Audran Cattin (30) als Mörder sehr stark. Dazu kommt die Doyenne Myriam Boyer (77): Ehrenlegion, endlos lange Liste von Film-, Fernseh- und Theaterrollen, mehrere Césars und Molières. Das erfahrene sechsköpfige Ensemble spielt in einem Privattheater, das Abend für Abend mit Leistung den Saal füllt. Das ist Paris. Die Deutschen dagegen, stellte Lichtenberg fest, lernen eher die Nase rümpfen als putzen. <
Zeitreise. Das Théâtre Marigny steht an der Ecke der Avenue des Champs-Élysées und der Avenue Marigny. Hier gründete am 5. Juli 1855 Jacques Offenbach das Théâtre des Bouffes-Parisiens. An derselben Stelle errichtete der Architekt der Pariser Oper Charles Garnier 1883 die Dioramen "Paris à travers les âges" und "Jérusalem". 1894 wurde das Panorama zum Theater umgebaut. In ihm entstand 1946 die Compagnie Renaud-Barrault.
Und dann ereignete sich an dieser Stelle auch das Unglück vom 1. Juli 1938. Am selben Tag, wo in Deutschland die Stadt Wolfsburg gegründet wurde, erschlug bei plötzlich ausbrechendem Gewitter ein umstürzender Baum den Dramatiker Ödön von Horváth vor dem Theater. Der jüdische Exilant war 37 Jahre alt geworden. "Wenn einer der unsern heute auf solche Weise umkommt", schrieb zehn Tage später der Satiriker Walter Mehring in einem Nachruf, "dann sollte man fast glauben, es habe sich die Naturgewalt ins Mittel gelegt, um einem Zugriff Unwürdiger zuvorzukommen." Die "Unwürdigen" liessen sich indes nicht abhalten, Horváths Namen weiter zu verfolgen. Als im selben Jahr postum sein Roman "Ein Kind unserer Zeit" erschien, wurde er im Reich verboten.
Sechzig Jahre später brachte Horváths Verlagshaus Thomas Sessler Wien am Théâtre Marigny eine Gedenktafel an:
ET LES GENS VONT DIRE
QUE DANS UN LOINTAIN AVENIR
ON SAURA DÉCERNER
LE FAUX ET LE VRAI
QUE LE FAUX DISPARAÎTRA
ALORS QU'IL EST AU POUVOIR
QUE LE VRAI ADVIENDRA
ALORS QU'IL EST AU MOUROIR
(1938)
Übersetzung:
UND DIE LEUTE WERDEN SAGEN
IN FERNER ZEIT WERDE MAN
UNTERSCHEIDEN KÖNNEN
ZWISCHEN LÜGE UND WAHRHEIT
DASS DIE LÜGE VERGEHEN WERDE
OBWOHL SIE HEUTE HERRSCHT
DASS DIE WAHRHEIT AUFERSTEHEN WERDE
OBWOHL SIE HEUTE STIRBT
(1938)
In London schliesslich kam am 17. März 1904 Patrick Hamilton zur Welt. Er publizierte 1929 sein erstes Erfolgsstück: "The Rope". Von da an konnte er von der Schriftstellerei leben. Ein weiterer Höhepunkt wurde "Gas Light" 1938. Die Verfilmung durch Alfred Hitchcock machte die beiden Titel zu Klassikern. Das letzte publizierte Werk, "Unknown Assalliant" (1955), musste der Alkoholiker Hamilton jedoch weitgehend diktieren, weil er infolge Dauerbesäufnis nicht mehr fähig war zu schreiben. 1962, sieben Jahre später, verstarb er an Leberzirrhose und Nierenversagen im Alter von 58 Jahren.
Die Morbidität zeigt sich bereits im Erfolgsstück des 25-Jährigen, wo mit Whisky und Champagner nicht gerade sparsam umgegangen wird. Zwei brillante junge Männer (in der Pariser Inszenierung von Guy-Pierre Couleau [67] wird aus dem Freundes- sinnigerweise ein Liebespaar) vollziehen mit Hilfe eines Stricks (darum der Titel "La Corde") den in ihren Augen perfekten Mord. Als reine Tat ohne Motiv soll er ihnen erlauben, sich durch "l'art pour l'art" zu Nietzsches Übermenschen aufzuschwingen.
Diese Hybris stellt das Verbrechen in einen philosophischen Rahmen: Warum wird die Tötung durch Soldaten belohnt, aber durch Privatmenschen bestraft? Die Frage wird unter den sechs Teilnehmern einer Abschiedsparty erörtert. Sie wissen nicht, dass unter dem Buffet in ihrer Mitte ein Ermordeter liegt. Damit führt das Geplapper aus der Abstraktion in die konkrete Gegenständlichkeit des Hier und Jetzt. Die Mischung von Gesellschafts- und Kriminalkomödie mit dem Ernst der ethischen Verpflichtungen gibt dem Stück Mehrschichtigkeit, Farbe und Spannung. Und die Pariser Aufführung legt mit ihrer adäquaten Umsetzung der wohlgebauten Handlung die Folgerung nahe:
Verachtet mir die Meister nicht,
und ehrt mir ihre Kunst!
Was ihnen hoch zum Lobe spricht,
fiel reichlich euch zur Gunst.
(Richard Wagner: Das Meistersinger-Lied.)
Was freilich das deutsche Feuilleton zur Produktion sagen würde, steht auf einem anderen Blatt.
*** Etincelles. Jon Fosse.
Kurzstücke.
Gabriel Dufay, Margaux Nessi, Sébian Falk-Lemarchand, Samuel Robineau. Comédie-Française, Paris.
> Ein Streichquintett: Zwei Geigen, zwei Bratschen, ein Cello. Sie interpretieren Kurzstücke von Anton Webern. Bei diesen feinen, kleinen Ereignissen kommt es auf jeden Ton an. So auch in der Comédie-Française. Hier heisst der Komponist Jon Fosse. Fünf Schauspieler führen seine Wort-Miniaturen auf: Zwei junge, zwei mittelalterliche und ein an Jahren fortgeschrittener. Sie treffen jeden Ton und schaffen miteinander einen kostbaren Abend. <
Im Unterschied zum Konzertsaal, wo Anton Weberns Miniaturen separat zur Aufführung kommen, bringt Regisseur Gabriel Dufay einen kleinen Text, ein paar Gedichte und fünf Szenen von Jon Fosse unter dem Titel "Funken" in einen organisch fliessenden Zusammenhang.
Er entfaltet sich im klugen – und klug bespielten – minimalistischen Bühnenbild von Margaux Nessi: Zwei Podien, zwei Rampen, eine Vorbühne, zwei Gazevorhänge. Hier ruft Sébian Falk-Lemarchand mit wechselnden Lichtern unterschiedliche Atmosphären und Raumeindrücke hervor. Und Samuel Robineaus Klangeinrichtung verbindet die Szenen dergestalt, dass sie sich zur Geschichte gestalten.
Die Themen sind einerseits Anziehung und Verschmelzung, anderseits Entfremdung und Trennung. Die Umschlagspunkte lenken die Biografien in eine neue Richtung. Literarisch sind sie unscheinbar. Jemand sagt einfach: "Kommst du zu mir?" Oder: "Ich ertrage dich nicht mehr!"
Was zu den Einschnitten führt, markiert die Inszenierung durch Gebärden, Blicken und Pausen. Dabei liegt die Qualität in der Genauigkeit der Umrisse und in der Stimmigkeit des Verlaufs. Wie bei Anton Weberns Partituren kommt es auf jeden Sechzehntel an.
Didier Sandre, Anna Cervinka, Clément Bresson, Sefa Yeboah und Morgane Real machen durch ihr nuancenreiches Spiel aus den Miniaturen von Jon Fosse an einem kurzen Abend von 1 Stunde 15 Minuten auf der Studiobühne der Comédie-Française grosses Theater im Sinn von: bedeutsam, anrührend, lebenswahr.
** Le village de l'Allemand. Boualem Sansal.
Schauspiel.
Luca Franceschi. Compagnie les Asphodèles du Colibri im Théâtre des Gémeaux Parisiens.
> Situationen, Gebärden und Figuren sind auf den Typ hin stilisiert. Man merkt es Luca Franceschis Inszenierung an, dass er von der Commedia dell'arte herkommt. Ausgebildet von Marcel Marceau, praktiziert er seit vier Jahrzehnten die alte italienische Theaterform, zuerst als Schauspieler, dann als Regisseur, unter anderem für die Opéra Comique und das Théâtre de l’Odéon Paris. Gerne auch an der Grenze zur Kolportage. Doch im Théâtre des Gémeaux Parisiens spielt seine sechsköpfige Truppe lediglich vor einer Handvoll weisshäuptiger Bildungsbürger. "Die Pariser haben Angst vor Attentaten", erklärt der Wirt der "Associés". Der Titel ist nämlich haram. Algerien hat "Le village de l'Allemand" verboten und den alten, kranken Schriftsteller ins Gefängnis geworfen. <
Mit sicherem Gespür für die theatralische Wirkung hat Luca Franceschi "Le village de l'Allemand" von Boualem Sansal zu einer Abfolge von Kurzszenen verarbeitet. Eine Polizeisirene markiert den Anfang. Eilig wird ein Absperrband über die Szene gezogen. Ein Radioreporter berichtet live von einem spektakulären Selbstmord und streckt das Mikrofon einem Passanten entgegen. Doch der will nichts sagen. "Die Leute hier sind geschockt", sagt der Journalist.
Der Geschockte ist der Bruder des Toten. Dass mit ihm etwas nicht stimme, war ihm in den Wochen vor dem Ereignis anzumerken. Er wurde bleich und mager; er veränderte den Charakter; er brach alle Kontakte ab. Aber er hinterliess ein Tagebuch. Der Bruder beginnt, es zu lesen, um zu verstehen, was zum Suizid führte.
Für den jungen, aus Algerien eingewanderten Franzosen kommt eine belastende Geschichte ans Licht. Sein Vater war Deutscher und trug den Namen Hans Schiller. Als SS-Offizier beteiligte er sich an der Ermordung der Juden in Auschwitz. Am Ende des Kriegs setzt er sich nach Algerien ab und konvertierte zum Islam. In einem abgelegenen Kaff heiratete er eine Einheimische, zeugte zwei Söhne, starb als angesehener Dorfältester und erhielt ein Ehrengrab. Dieser Teil des Romans soll sich um 1980 wirklich zugetragen haben.
Aus doppelter Perspektive wird nun die Vergangenheit aufgerollt. Roman und Theaterstück deuten die beiden Recherchen im Untertitel an: "Das Tagebuch der Brüder Schiller". Der ältere Sohn hält schreibend seine Forschung nach der Entwicklung des Vaters zum Nazi und Moslem fest; und der jüngere Sohn fängt seinerseits an, die Entwicklung des Bruders nachzuvollziehen.
Die Forschungen führen zur Erkenntnis, dass sich Nationalsozialismus und Islamismus aus den gleichen Wurzeln nähren: Überlegenheitswahn, Säuberungsdrang, traditionelles Familienbild, Hass gegen Juden und Homosexuelle, kritikloser Nachvollzug des Führerwillens. Das Übel kann sich ausbreiten, weil es die Menge vorzieht, vor dem Fanatismus den Kopf einzuziehen, anstatt dagegen aufzustehen.
"Le village de l'Allemand" erschien 2008 bei Gallimard. Der algerische Staat verbot das Buch unverzüglich wegen Gleichsetzung des Islamismus mit dem Nationalsozialismus. 2015 verlieh die Académie française Boualem Sansal den Grand prix du roman. Zehn Jahre später, am 1. Juli 2025, bestätigte schliesslich der algerische Kassationshof das Urteil von fünf Jahren Haft für den Achtzigjährigen.
Die Compagnie les Asphodèles du Colibri hat "Le village de l'Allemand" 2023 als Theaterstück zur Uraufführung gebracht. Die Lyoner Truppe erklärt ihren Namen folgendermassen:
Die Asphodèle [der Affodill, ein Liliengewächs] ist jene unscheinbare Pflanze, die in Gruppen aus trockenen Felsen, kargem Boden oder wilden Hängen spriesst. Sie ist eine plötzliche und unerwartete Schönheit am Strassenrand, wo nur Reisende haltmachen. Was wäre, wenn in einer oft trockenen, utilitaristischen, schwierigen oder mittelmässigen Welt jedes Schauspiel als Herausforderung verstanden würde, eine flüchtige Blüte von Schönheit und Originalität in den Farben eines anderen Lebens denen anzubieten, die noch bereit sind, anzuhalten und sich überraschen zu lassen?
Seit 2023 ist die Compagnie les Asphodèles du Colibri mit dem "Tagebuch der Brüder Schiller" auf Tournee. Anfänglich spielte sie vor vollen Häusern. Oft standen die Besucher zum Applaudieren auf. Doch der Gaza-Krieg hat viel verändert. "Die Leute haben Angst", erklärt der Wirt der "Associés". Nun wagen sich lediglich noch ein paar weisshaarige Intellektuelle in den Theatersaal der Gémeaux Parisiens. Der Rest zieht es vor, mit den Schultern zu zucken und wegzublicken.
*** Une leçon d'histoire de France : La révolution. Hugo, Michelet, Dumas, Lamartine.
Schauspiel.
Aurélien Cros. Théâtre de Poche-Montparnasse, Paris.
> Am Abend jenes 6. Oktober 2025, an dem in Frankreich der dritte Ministerpräsident innert eines Jahres den Rücktritt gegeben hat, kommt das Théâtre de Poche-Montparnasse in seiner "Leçon d'histoire de France" zur Premiere des Kapitels "La révolution". Dazu vermerkt der hellsichtige Alleindarsteller Maxime d'Aboville in den Presseunterlagen: "Die Revolution sagt viel über einen bestimmten französischen Geist: Unbeugsamkeit, Neigung zu Revolte und Auflehnung, für die es seit den Bauernaufständen des Mittelalters bis zum Mai 68 und den Gelbwesten zahlreiche Beispiele in der Geschichte Frankreichs gibt: die Vorliebe für Freiheit, aber noch mehr die Leidenschaft für Gleichheit. Eine weitere Konstante: die Heftigkeit der politischen und intellektuellen Debatten, die Unfähigkeit zu Kompromissen und heiterer Gelassenheit." <
Im kleinen, intimen Saal des Montparnasse-Kellertheaters stellt sich Maxime d'Aboville mit leeren Händen vor die Zuschauer und beginnt, den Sturm auf die Bastille zu rezitieren. Der Anfang seines Texts stammt von Alexandre Dumas, die Fortsetzung von Jules Michelet. Die beiden Autoren kamen erst um 1800 zur Welt, kannten also die Revolution nur vom Hörensagen. In ihrer Phantasie aber bekam sie mythische Dimensionen.
Alle Ereignisse, sobald sie einmal historisch geworden, das heisst: in eine entsprechende Entfernung gerückt sind, werden von uns bis zu einem gewissen Grade als künstlerische Erscheinungen gewertet.
(Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit.)
Im kleinen, intimen Saal des Montparnasse-Kellertheaters ertönen nun die Sätze der kanonischen, aber nachrevolutionären Schilderungen mit dem ihrer Epoche entsprechenden Tremolo. Das gleiche Pathos hörte man bis 1970 bei den Erweckungspredigern, den Mimen der Comédie-Française und Charles de Gaulle. "La grandeur" verlangte einen opernhaften Stil.
Dazu kommt aber noch eine Besonderheit der Französischen Revolution: sie besteht ganz einfach darin, dass diese Revolution französisch war. Der Franzose besitzt nämlich das paradoxe und mysteriöse Talent, aus allem: Gott, Liebe, Freiheit, Ruhm, Alltag ein Kolportagedrama, einen Saisonroman zu machen; er weiss allem ein gewisses ästhetisches Arrangement und eine gute wirkungsvolle Drapierung zu geben.
(Egon Friedell)
In "guter wirkungsvoller Drapierung" ziehen nun die Erzählungen der nachrevolutionären Autoren vor dem geistigen Auge des Publikums auf. Doch bald beginnt Maxime d'Aboville auch, Reden zu zitieren, die zur Zeit der Ereignisse gehalten worden sind. Subtil von seinem Regisseur Aurélien Cros geführt, verwandelt sich der Rezitator dabei in die historischen Figuren Danton, Robespierre, Desmoulins, Marat und viele andere mehr. Sie haben individuelle Gesichtszüge, eigene Stimmlagen, persönliche Gebärden. Der eine schlägt sich an die Stirn, der andere bellt ins Publikum, der dritte stellt sich auf die Zehen, der vierte rollt mit den Augen, der fünfte schüttelt die Faust, der sechste tritt mit den Absätzen auf. Durch die schauspielerische Vergegenwärtigung wird der O-Ton der Geschichte vernehmbar ... beklemmend, aufwühlend, schaurig.
Dazu kommt noch die wunderbare lateinische Formvollendung, in der sich alles abspielte. Die öffentlichen Äusserungen dieser wilden Rotte von Mördern und Irrsinnigen, ihre Reden, Pamphlete, Manifeste waren immer noch Kunstwerke, sie könnten ohne Änderung, höchstens mit ein paar Strichen, in jedes Theaterstück hinübergenommen werden.
(Egon Friedell)
Was der Wiener Kulturphilosoph postulierte, wird nun "ohne Änderung, höchstens mit ein paar Strichen", ins Théâtre de Poche-Montparnasse "hinübergenommen" und zeigt: In Frankreich ist die Faszination der Revolution nicht erloschen. Gerade glüht sie wieder auf. Nach dem dritten Rücktritt eines Ministerpräsidenten innert zehn Monaten wird quer durch das Land der Kopf von Emmanuel Macron verlangt. Und die "Süddeutsche Zeitung" konstatiert am Abend des 6. Oktober 2025: "Frankreich versinkt in einer beispiellosen politischen Krise."
*** Antigone. Pascal Dusapin.
Operatorium.
Klaus Mäkelä, Netia Jones. Orchestre de Paris in der Philharmonie de Paris.
> "Antigone" ist eine Auftragsarbeit der Philharmonie de Paris und der Dresdner Philharmonie. Der Komponist Pascal Dusapin nennt die halbszenische Mischform für grosses Orchester und sieben Sänger ein Operatorium. Der Text stammt aus Friedrich Hölderlins Übersetzung der sophokleischen Tragödie. Doch da man die Sänger an der Pariser Uraufführung nicht versteht, liegt das Hauptgewicht des Ereignisses nicht im Wort, sondern im musikalischen Fluss. <
442 v. Chr. wurde die antike Tragödie an den grossen Dionysien von Athen zum ersten Mal aufgeführt. Das Schauspiel setzt ein, nachdem sich Antigones Brüder vor den Toren Thebens im Zweikampf umgebracht haben. Damit steht die Handlung unter dem Zeichen von Hass, Blut und Verhängnis. Antigone erhängt sich. Der Verlobte gibt sich mit dem Schwert den Tod. Dessen Mutter verflucht ihren Gatten, nennt ihn einen Sohnesmörder und erdolcht sich.
Das alles passiert hinter der Szene. Es wird rapportiert. Komponist Pascal Dusapin verwendet dafür sieben Sänger. Für den Chor eine "haute-contre" (Serge Kakudji). Die historische Stimmlage (hoher Tenor) war vor allem in der französischen Barockoper verbreitet. Antigone wird gesungen von einem reichen, dunklen Mezzosopran. Christel Loetzsch gibt die Rolle aufrecht, selbstbewusst und engagiert. Sie trägt schlichtes Schwarz und erscheint in der szenischen Einrichtung von Netia Jones vor der weissen Quaderarchitektur der Burg zusammen mit den anderen Figuren wie ein Schattenriss, passend zur Epoche Hölderlins: "Sehr charakteristisch für die Geniezeit ist ihre Leidenschaft für die Silhouette", vermerkt Egon Friedell in seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit". – Antigones Schwester Ismene, unscheinbar, angepasst, besorgt, ist ein Sopran: Anna Prohaska. Ihre lichte Stimme kontrastiert zum dunklen Bass der Darsteller von Kreon (Tomas Tomasson) und Tireisias (Edwin Crossley-Mercer). Auch Haimons Tenor (Thomas Atkins) ist dunkel eingefärbt.
Das Geschick der Herrscherfamilie betrachtet Pascal Dusapin mit heutigen Augen:
Das Drama von Antigone entsteht aus dem Konflikt zwischen dem Gebot des individuellen Gewissens und dem des Gemeinwohls. Wie immer in der Mythologie verfolgen uns diese Fluchtlinien und rufen vielfältige Interpretationen hervor, und in ihrer wahnsinnigen Wiederholung scheint uns die Geschichte laufend dasselbe zu erzählen ... "Antigone" ist die Tragödie par excellence, immer wieder kommentiert, inszeniert, umgeschrieben, dekonstruiert. Abwechselnd heroisch oder furchterregend, über alle Massen mutig oder einfach unerträglich, durchquert Antigone die Geschichte der Menschheit über Kontinente und Kulturen hinweg.
Die Handlung des Operatoriums wird – wie im antiken Drama – von Einzelstimmen vorgetragen. Sie bewegen sich in einer Mischung von Rezitativ und Sprechgesang auf Tonwellen von geringen Ausschlägen. Der Charakter der Komposition ist elegisch. Langgedehnte Unisonoklänge wandern durch die Register des 75-köpfigen Orchestre de Paris. Dazwischen blühen Flöte, Oboe, Harfe und Schlagwerk auf. Unter dem Stab von Klaus Mäkelä ist der Klang hell, luftig, durchhörbar. Mit Fluidität umspielt das Orchester das harte Schicksal der Atriden und erzeugt eine träumerisch-versonnene Aufnahmebereitschaft, mit der das Publikum durchlässig wird für eine Ansprache jenseits der Wörter.
*** Les Justes. Albert Camus.
Schauspiel.
Maxime d'Aboville. Théâtre de Poche-Montparnasse, Paris.
> Zuerst das Erschrecken: "So kann man heute nicht mehr schreiben!" Dann das Kopfschütteln: "So kann man heute nicht mehr inszenieren!" Darauf das Zugeständnis: "Aber die Besetzung ist gut!" Anschliessend die Verwunderung: "Die Handlung hat ja dramatische Qualität!" Die Einsicht: "Camus bekam nicht umsonst den Nobelpreis." Das Staunen: "Die Aufführung wird dem Stück in vollem Umfang gerecht!" Und am Ende die Frage: "Wo kommt das heute noch vor?" <
Wie beim "Vogelhändler" von Carl Zeller ("Ich bin die Christel von der Post") und der "Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart ("Der Vogelfänger bin ich ja") wird auch bei den "Gerechten" von Albert Camus beim ersten Auftritt die Person auf schlichte Weise vorgestellt:
– Er ist's! Hier kommt Stepan.
– Welch ein Glück, Stepan!
– Guten Tag, Dora.
– Schon drei Jahre.
– Ja, drei Jahre. Am Tag, als sie mich verhafteten, wollte ich zu euch stossen.
– Wir haben dich erwartet.
– Wir haben die Wohnung wechseln müssen, einmal mehr.
– Ich weiss.
Die Regie macht nichts. Maxime d'Aboville lässt die Leute einfach stehen und reden. In deutschen Aufführungen gäbe es irgendwo ein Schlagzeug oder ein Klavier. Jemand würde sich dransetzen und anfangen zu spielen. Vielleicht wäre der Boden unter Wasser, und die Füsse würden darin herumplanschen. Bestimmt käme Video dazu. Und ein Ständermikrophon. Einzelne Passagen würden wiederholt, chorisch gesprochen oder gesungen. Die Hauptfiguren würden verzwei-, verdrei-, vervierfacht und dürften auch von Frauen gespielt werden. So viel Gendergerechtigkeit muss sein. Und immer würde etwas laufen. Doch in Paris macht die Inszenierung nichts. Reines Worttheater. Pah! Das ist doch Hörspiel, nicht Schauspiel! Sowas macht man heute nicht mehr!
Dann kommt der Gipfel: Die Figuren sind glaubwürdig! Wir können uns in sie hineinversetzen und spüren, was mit ihnen los ist. Im deutschen Schauspiel ist das seit Brecht verpönt: Man soll denken müssen, nicht fühlen dürfen! Die Menschen sollen durch "Verfremdung" von uns weggerückt werden, damit wir ihnen nicht erliegen. Also unnatürliche Spielweise, Brechung der Faszination, unmotiviertes Geschrei. Sonst landen wir beim Erzähltheater oder, noch schlimmer, beim Schauspielertheater. Das geht heute nicht mehr!
Gleichwohl rückt uns Maxime d'Aboville "Die Gerechten" in die Ferne: Er lässt das Stück so aufführen, wie es bei der Uraufführung 1949 gegeben worden sein muss. Und damit produziert seine Inszenierung einen Schock. Denn mit dieser Spielweise sind wir in der deutschen Sprachwelt nicht mehr vertraut. Sie schafft "Verfremdung" durch einen Looping. Indem die Vorlage so gegeben wird, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung gemeint war und allgemein verstanden wurde, erleben wir als erstes die historische Kluft, die uns vom Theater der Herren Camus, Sartre, Giraudoux, Anouilh und Achard trennt: So spricht man heute nicht mehr! So verhält man sich nicht mehr! Und so werden wir paradoxerweise im Théâtre de Poche-Montparnasse distanziert, abwehrend und kritisch ... weil uns der "werktreue", aber in Wirklichkeit fremdgewordene Stil irritiert.
Die Aufführung wird mit fortschreitender Handlung immer spannender. Das Spiel ist fein, situationsadäquat, vielfältig, immer wieder überraschend – und zwar da, wo es echt ist und die Sache trifft. Da ereignen sich Wahrheitsmomente, die das gewöhnliche Theater übersteigen. Alfred Kerr sprach in diesem Zusammenhang von "Ewigkeitszug". Heimito von Doderer von "Jenseits im Diesseits".
Interessanterweise hat sich heute, zeitgleich zur Entwicklung des Regietheaters, die Wiedergabe des Textes, wie er gemeint war, in der E-Musik durchgesetzt. Die Spezialisten von Anima Eterna, Freiburger Barockorchester, Giardino Armonico, Orchestra of the Age of Enlightenment streichen auf Darm- anstatt Metallsaiten, schlagen auf Fell- anstatt Plastikpauken, spielen auf Erard- anstatt Steinwayflügeln, und die Dirigenten erforschen in den Archiven den Urtext. Sie kennen die Spiel- und Rezeptionsweise der Entstehungszeit und sind stolz auf ihre "historisch informierte Aufführungspraxis".
Zusammen mit dem Organisten Luigi Ferdinando Tagliavini erklären Guy Bovet und Emmanuel Le Divellec, dass fürs Musizieren exakte historische Kenntnisse wichtig seien. Aber beim Spielen müsse man sie vergessen. Denn Gelehrsamkeit allein könne kein Leben schaffen. Demgemäss bewegen sich die Tonkünstler zwischen den Polen Gefühl und Verstand.
So gut nach den Gesetzen der Grossultan ausser dem Regieren noch ein Handwerk (nach Rousseau auch der Gelehrte eines) treiben soll, so sollte ein junger Schreib- und Dichtkünstler neben dem Dichten noch Wissenschaften treiben, z. B. Sternkunde, Pflanzenkunde, Erdkunde usw.
Das führte Jean Paul in Paragraph 1 der "Kleinen Nachschule zur ästhetischen Vorschule" aus. Zur Bekräftigung nannte er Goethe, "der sich wirklich auf so viele Wissenschaften gelegt hat, als habe er nie einen Vers gemacht".
So legt uns das Beispiel der "Gerechten" in Paris die Folgerung nahe, dass das deutschsprachige Theater weiterkäme, wenn es seine Selbstbezogenheit und Selbstgerechtigkeit überwinden könnte und ebenfalls anfinge, "historisch informiert" vorzugehen und dem Eigentümlichen der Vorlagen nachzuspüren. Dann würde es mit jeder Aufführung unsere Sensibilität und Auffassungsweise weiterbringen.
Die Compagnie les Asphodèles du Colibri aus Lyon erklärt :
Die Asphodèle [der Affodill, ein Liliengewächs] ist jene unscheinbare Pflanze, die in Gruppen aus trockenen Felsen, kargem Boden oder wilden Hängen spriesst. Sie ist eine plötzliche und unerwartete Schönheit am Strassenrand, wo nur Reisende haltmachen. Was wäre, wenn in einer oft trockenen, utilitaristischen, schwierigen oder mittelmässigen Welt jedes Schauspiel als Herausforderung verstanden würde, eine flüchtige Blüte von Schönheit und Originalität in den Farben eines anderen Lebens denen anzubieten, die noch bereit sind, anzuhalten und sich überraschen zu lassen?
Wenn man Neues bringen will, zerschlägt man nicht die alten, sondern schreibt neue Stücke. Das machen in Frankreich die Theater jeden Abend vor. Hier sind die Uraufführungen so zahlreich, dass man sie nicht einmal mehr eigens hervorhebt. Sie sind "courant normal" wie zur Zeit von Molière, Shakespeare, Goethe, Schiller, Beckett, Ionesco und Pinter ...
Le Roi se meurt. Eugène Ionesco.
Schauspiel.
Jean Lambert-wild. La Coopérative 326 im Théâtre de l'Epée de Bois, Paris.
> Letzten Monat schritten Xi Jinping (72) und Wladimir Putin (73) in Peking nebeneinander über den roten Teppich. Einem Video zufolge, das "The Guardian" veröffentlichte, äusserte Putin, dass "menschliche Organe ständig transplantiert werden können, so dass die Menschen jünger und vielleicht sogar unsterblich werden können". "Ja", erwiderte Xi. "Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die Menschen 150 Jahre alt werden." – Auch in Eugène Ionescos absurder Farce aus dem Jahr 1962 träumt ein König davon, dass die Sonne auf und nieder geht, weil er es befiehlt, dass es Meer und Erde gibt, weil er sie will, und dass er erst dann sterben wird, wenn er es anordnet: "Aber jetzt noch nicht. Es ist noch zu früh." <
Zusammen mit dem Leibarzt konfrontiert die Königin den Gatten mit dem Unausweichlichen: Das Reich geht zugrund. Der Palast zerbröckelt. Die Armee ist auf ein paar Soldaten geschrumpft. Die Herrschaft steht vor dem Ende: "In zwei Stunden, wenn die Vorstellung aus ist, bist du tot!"
Auf diese unangenehme Tatsache reagiert der König mit Wegblicken, Abstreiten, Trotz, Gegenangriffen auf persönlicher Ebene. Aber es nützt nichts. Schon gehorchen ihm die Glieder, dann die Diener nicht mehr. Am Ende muss er, wie alle Geschöpfe, das Reich des Zeitlichen verlassen.
Diesen Verlauf, wiedergegeben von unzähligen Totentänzen, allen Sterblichen bekannt, stellt Jean Lambert-wild mit seiner Coopérative 326 in eine Zirkusdekoration. Das Stück verlangt's zwar nicht, aber in diesem Milieu kennt er sich aus. Er ist von Berufs wegen ein weisser Clown, und die übrigen sind Artisten. Ein schwarz-weiss gesprenkeltes Hausschwein rollt den roten Teppich aus. Der Darsteller des Leibarzts bewegt sich auf Stelzen.
Fürs Auge ist das fünf Minuten lang vergnüglich, doch dann beginnt sich der Geist zu langweilen. Niemand von der Truppe kann verständlich reden ausser dem Darsteller des Königs Jean Lambert-wild. Neben seiner Rolle als Monarch fungiert er auch als Regisseur und Bühnenbildner der Produktion sowie als Direktor der zirzensischen Familie, die juristisch als Genossenschaft organisiert ist.
Auf den Schultern der Genossenschafter ruht jetzt aber eine grosse Last. Sie haben für Paris dreissig Vorstellungen angesetzt, doch an der sechsten ist der Saal schon zu achtzig Prozent leer. Wer dem faden Spektakel beigewohnt hat, empfiehlt es nicht weiter. Für die Truppe indessen heisst es noch einen vollen Monat lang: "Lache, Bajazzo!"