Die rote Fahne hat das Theater erobert.  © Moritz Schell.

 
 

Es muss geschieden sein. Peter Turrini.

Schauspiel.

Stephanie Mohr. Theater in der Josefstadt, Wien.
Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 20. März 2024.

 

> Diesmal ist das Theater in der Josefstadt Wien nicht nur Ort des Spiels, sondern auch Objekt der Darstellung. Peter Turrini siedelt sein Stück über die 1848er Revolution in Österreich bei einer Schauspieltruppe an, die am Proben ist für Ferdinand Raimunds "Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär". Aus dem "romantischen Original-Zaubermärchen mit Gesang" stammt die Zeile, die den Titel bildet: "Es muss geschieden sein". So durchkreuzen sich auf den Brettern Kunst und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart, Geschichte der Revolution mit Geschichten auf, vor und im Theater zu einer beklemmenden Mischung. <

 

Vor dem Hintergrund des Hungers, der Not, der Teuerung sowie dem Versiegen aller Arbeitsmöglichkeiten, die 1848 in Wien zur Revolution führten, bekommt ein Titel wie "Der Bauer als Millionär" zugleich einen utopischen als auch zynischen Beiklang. Die Vereinigung von Bauernstand und kapitalistischem Reichtum findet sich bloss im Märchen; und eintreten kann sie ausschliesslich durch Zauber; nicht auf der Welt; nicht unter normalen Umständen. So betrachtet, erweist sich die Revolution, die 1848 Europa erschütterte, als Versuch, einen Traum zu realisieren.

 

Zu den Träumern gehörten die Künstler. Die Probe für das Theater, die das Theater in der Josefstadt auf dem Theater aufführt, realisiert sich als Gegenentwurf zur Geschichte. Die Truppe auf den Brettern probt einen Zustand von Liebe und Glück, während die Truppen auf Strassen und Plätzen die Bevölkerung niedermähen.

 

Stephanie Mohr inszeniert die Widersprüchlichkeit mit dem gleichen Taktempfinden, das sich in Schuberts Bassbegleitung findet: Es zählt nicht nur das wahrnehmbare Zeichen, sondern auch die mitkomponierte Leere. So tariert das Feingefühl der Regisseurin, die längst den Grad der Meisterschaft erreicht hat, die Geschichte von Zusammenbruch und Mord durch das künstlerische Element der Fassung aus – Fassung als ästhetischer und seelischer Begriff. Mit ihr wird die schöne, wohlgestaltete Aufführung jenseits der Worte sprechend.

Spass auf der Bühne ... 

... kippt ... 

... in Ernst. 

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt 0