Heimgesucht von der Vergangenheit. © Stefan Brion.

 
 

 

Macbeth underworld. Pascal Dusapin.

Oper.

Franck Ollu, Thomas Jolly, Bruno de Lavènere. Opéra Comique, Paris.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 19. November 2023.

 

> "Macbeth underworld", die achte Oper des französischen Komponisten Pascal Dusapin, spielt, wie der Titel sagt, in der Unterwelt. Da wird das Mörderpaar von der Vergangenheit heimgesucht. Denn nichts vom Vorgefallenen ist abgetan. Die alten Themen kehren als Mischung von Traum- und Wahngebilden wieder. Auf diese Weise bringt "Macbeth underworld" die Essenz von Shakespeares Drama. <

 

In der Schwärze der Nacht, welche die Tragödie umgibt, und in der Schwärze der Unterwelt, in welche die Unseligen verbannt sind, realisiert das Bühnenbild von Bruno de Lavenère ein Konglomerat von organischen und geometrischen Formen. In ihnen spiegelt sich der Gegensatz von wuchernd unbewusster Natur und gewaltsam ordnender Vernunft.

 

Diese Darstellung von "Macbeth underworld", die nicht nur dem Da-Sein der Lebenden, sondern auch dem Dort-Sein der Gestorbenen entspricht, erwächst aus der Partitur von Pascal Dusapin. Er realisiert mit einer raffinierten Mischung von Klängen und Akkorden, perkussiven und melodischen Elementen, was Goethe beim Anblick des Staubbachfalls "Wechseldauer" genannt hat: Aus dem endlosen Vorbeiziehen von Wassertropfen bildet sich die wohlumrissene, wenn auch ungreifbare Grossform des Wasserfalls, der sich ständig neu aus dem Wechseln und Vergehen der Einzelelemente bildet.

 

In der Unterwelt sind die grossen "Macbeth"-Motive ineinander verschlauft: die Hexen, das Kind, der Dolch, der Wald von Dunsinan, die blutigen Hände. Der schwarze Fluch, den das Drama beschwört, hatte zur Folge, dass es in der abergläubi­schen Welt des Theaters verboten ist, den Titel der Tragödie auszusprechen. Man sagt bloss: "Das Stück, das man nicht nennt". Sonst bringt "Macbeth" Unglück.

 

In der Tat ging es auch diesmal nicht zu wie geplant. Einstu­diert wurde "Macbeth underworld" für die Uraufführung vom September 2019 an der Brüsseler Oper. Doch dann verzögerte der Ausbruch von Covid die Übernahme durch die Pariser Opéra Comique bis zum November 2023. In der Zwischenzeit starb ein Sänger. Andere wurden wegengagiert. Das machte verschiedene Umbesetzungen nötig. Thomas Jollys Inszenierung richtete nun eine Assistentin ein. Und Franck Ollu dirigierte nicht mehr das Orchestre philharmonique de Radio France, sondern das Orchestre de l'opéra national de Lyon.

 

Auf und ab. An der Pariser Derniere von "Macbeth underworld" fand sich auf Platz M 10 des Balkons der italienische Kompo­nist Francesco Filidei. Er schreibt gerade an einer neuen Oper: "Der Name der Rose". Sie wird mit Ingo Metzmacher 2025 an der Scala zur Uraufführung kommen und 2026 von der Pariser Oper übernommen werden. Wechseldauer. Die einen kommen, die andern gehen.

 

In der Unterwelt ... 

... kehren die grossen ... 

... Themen wieder. 

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