Gegeben wird das Minium: Kostüm, Requisite. © Yoshiko Kusano.

 

 

La Strada. Federico Fellini.

Schauspiel.

Bühnen Bern.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 3. Juni 2023.

 

Wenn Federico Fellinis grosser Film "La Strada" davon erzählt, wie die kleine, unschuldige Gelsomina verschachert wird an den brutalen, herzlosen Strassenkünstler Zampano, so wird beim Berner "Schauspiel mobil" die Gewalt gleich zum Merkzeichen der Inszenierung. Die Nötigung setzt damit ein, dass das Publikum noch vor Spielbeginn zum Mitmachen veranlasst wird: Es kann wählen zwischen roter Schminke für die Nase (Clown) oder weisser Schminke für die Wangen (Träne). Dann sollen sich alle die Hände auf die Schultern legen und in Polonaise zum Spielort hinübertanzen. Dort sollen alle nach links schauen. Dann nach rechts. Dann nach oben. Natürlich machen alle mit. Sie haben als Kind gelernt, dass man lieb sein muss. Die abwartende Haltung: "Bietet zuerst mal was!" erscheint im Gruppendruck des Freilichtspektakels, wo sich alle gegenübersitzen und mit den Augen kontrollieren, als miesepetrige Spassverdereinstellung.

 

Die Nötigung geht weiter mit Übertragung der grandiosen Nino-Rota-Musik, gegen die keiner etwas haben kann, und mit Häppchen aus der mythischen "La Strada"-Handlung, an die sich alle mit nostalgischer Wärme erinnern. Derart gefesselt (aber nicht gebannt) wird das Publikum dazu gebracht, die vielen Schwächen der Aufführung zu ignorieren. Sie lassen sich zusammenfassen im Faktum, dass alle Bögen fehlen: Spannungsbögen im Ablauf der Handlung, Bögen in der Dramaturgie der Begegnungen, Bögen in der Zeichnung der Figuren, Bögen im Anspruch, das höchste denkbare Niveau zu bieten. Das gesammelte Minus verbirgt "Schauspiel mobil" hinter gesammelter Nötigung und zwingt damit das Publikum der Premiere in die Knie. Aber ehrlich: Ist jemand im tiefsten Herzen mit so wenig zufrieden?

 

Ein gendergerechter Zampano. 

Und eine herzige Gelsomina. Das wär's. 

 
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