Kunstkopfstereophonie. © Joel Schweizer.

 

 

Für alle Fische muss die Sintflut ein Fest gewesen sein. Franz Hohler.

Hörspiel live mit Geschichten von Franz Hohler.

Deborah Epstein, Florian Barth, Alex Wittwer. Theater Orchester Biel Solothurn.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 26. November 2022.

 

> Wenn ich nur wüsste, was das Ganze soll! Dann könnte ich auch sagen, ob es gelungen ist oder nicht. Jetzt hängt das Urteil davon ab, ob ich mich angesprochen fühlte, ob ich hineinkam, ob ich mit den Brocken, die mir Regisseurin Deborah Epstein in ihrem "Hörspiel live mit Geschichten von Franz Hohler" zuwarf, etwas anfangen konnte ... oder nicht. Der Abend ist nämlich so konstruiert, dass er jeden auf seine eigene Subjektivität zurückverweist, und Ausdruck für diesen Ansatz ist die Tatsache, dass alle Kopfhörer tragen müssen. So sitzt im Saal Ich neben Ich, und die Aufführung verweigert es den verschiedenen Ichs, zum Wir zu finden ... Und zum Es? Wenn das Es mehr gewesen sein sollte als stochastisch-dadaistisches Gaudi und Verhöhnung bildungsbürgerlicher Sinnhuberei, entging das meinen blöden Augen. Auch ich bin für eine Hommage an Franz Hohler. Aber was den Sintflut-Abend anlangt, kann ich nur sagen: Nett, aber was soll's? <

 

Es ist sicher gescheit, aber ich bin zu dumm dafür. Das ist am nächsten Morgen das Fazit nach dem Franz-Hohler-Abend im Stadttheater Solothurn. In meinem benommenen Kopf liegen lauter Ungereimtheiten. Textlich: Aus dem reichen Werk wird das meiste nur angetippt. "Der Rand von Ostermundigen." Ist das nicht ein Buchtitel? Was soll ich mit dem Fragment? Auf der andern Seite wird die Geschichte vom "Totemügerli" vollumfänglich vorgetragen wie das Vaterunser. Darauf hätte ich in meiner Einfalt gewettet. Auch, dass es dafür Applaus gibt. Das vorausgesehen zu haben, tat mir wohl. Bingo.

 

Anderes blieb rätselhaft. Ich verstehe nicht, warum die Leinwand zeigt, wie drei Schauspieler hereinkommen und in der Garderobe Kleidung und Schuhe ausziehen. Ich finde das uninteressant. Zeitverschwendung. Wenn die drei (warum nicht zwei oder vier?) auf der Bühne sind, verstehe ich nicht, warum sie immer noch nicht reden, sondern erst einmal einen rosafarbenen Overall anziehen. Overall fürs Hörspiel? Und rosa? Was hat das zu bedeuten? (Bühne, Kostüme, Video: Florian Barth, auch Sounddesign zusammen mit Alex Wittwer.)

 

Jetzt beginnen sie, Franz Hohlers Kindergeschichten zu rezitieren. Da es sich um "Hörspiel" handelt, werden zu jedem Satz Geräusche produziert; etwa das Brummen des Motors, wenn sich der Autobus in Bewegung setzt. Immer dasselbe Vorgehen: Zuerst das Wort, dann das Geräusch. Ich verstehe diese Einförmigkeit nicht. Ich weiss, wie ein Bus tönt. Das auch noch vorgeführt zu bekommen, als ob ich es, alzheimerbedingt, vergessen hätte, finde ich überflüssig. Die Erzählung wird lediglich gedehnt, aber Neues kommt nicht hinzu. Anders wäre es, wenn die Geräusche Kommentar, Widerspruch, Gedanken ins Spiel bringen würden. Aber blosse Illustration? Was soll das?

 

In mehr als der Hälfte der Zeit klappt die Übertragung nicht. Ich sehe zwar, wie Margit Maria Bauer, Gabriel Noah Maurer und Matthias Schoch verschiedene Gegenstände vors Mikrofon halten, vernehme aber den Ton im Kopfhörer nicht. Technisches Versagen? Oder hintersinnige Selbstkritik: "Wir fuchteln, wie ihr seht, ein bisschen herum, aber ihr braucht nicht alles zu hören, es ist eh nicht so wichtig ..."

 

Ich bin mir bewusst: Vielleicht ist alles, was ich sage, ganz falsch. Die Aufführung ist supergescheit, nur ich bin zu dumm dazu. So bleibt mir nur, bei den Machern und allen Zuschauern, die sich amüsiert haben, für meine Beschränktheit um Entschul­digung zu bitten. Ich werde mich bemühen, ein andermal wieder Gescheiteres mitzuteilen.

 

Bewegung. 

Ton. 

Wort. 

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