"Feldversuch" mit Minidrohne. © Annette Boutellier.

 

 

Hunger. Ein Feldversuch. Gernot Grünewald und Ensemble.

Schauspiel.

Gernot Grünewald. Bühnen Bern.

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt, 14. Oktober 2022.

 

> Mit "Hunger. Ein Feldversuch" ereignet sich's, dass das an sich politisch hyerkorrekte Berner Schauspiel (sogar das Gendersternchen wird mitgesprochen) in die Falle der kulturellen Aneignung tappt. Anstatt eine erfundene Geschichte weiterzugeben, müssen die Schauspieler auf Lehrerlis machen. Sie liefern Daten und Fakten zum Hungerproblem; betreiben also, für sie gewiss neu, nicht mehr länger Kunst, sondern Wissenstransfer. Aber – und da liegt die Hochstapelei – es geht ihnen jegliche Fachkompetenz ab, durch die ihre Aussagen glaubhaft würden. Jetzt schnarren sie wie Automaten Angelesenes und Angelerntes herunter. <

 

Automat bedeutet Fremdbestimmung durch Programmierung, wo "ich selbst gar nichts von dem weiss, was ich rede, ja auch nicht einmal weiss, dass ich es nicht weiss." (Georg Büchner) Angesichts dieser Lage möchte man den Theaterleuten immer wieder zurufen: "Haben Sie Ihre Zahlen überprüft? Was ist Ihre Quelle?"

 

Die Frage würde sich nicht stellen, wenn statt der Schau­spieler Dozenten und Forscher der schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft auftreten würden. Bei ihnen steckt hinter jeder Aussage eine lange, intensive, wissenschaft­lich einwandfreie Beschäftigung mit der Materie, die zum Grad des Ingenieurs oder Doktors an der besten kontinentaleuropäischen Hochschule (ETHZ) führte - und nicht bloss eine Schnellbleiche von sechs Probenwochen an den Bühnen Bern.

 

Dort, wo die Musik spielt – also an der schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft – gibt es am 4. November den Bio-Gipfel 2022: "Bio auf meinem Teller – Fakt oder Fake? Es erwartet Sie ein Programm gespickt mit spannenden Referent*innen und Projekten. Es wird diskutiert und genetworkt und Sie haben die Möglichkeit, im Food Atelier mitzuwirken und nachhaltige Produkte selber herzustellen."

 

Die "spannenden Referent*innen", die das Stationentheater in Zollikofen animieren (ab Bern 2 Libero-Tarifzonen) und sich, im Unterschied zu den Schauspielern, auch zur Diskussion stellen (können), sind, wenn sie vom Essen reden, in jeder Faser ihres Leibs authentisch. Nichts von kultureller Aneignung. Und ihre Aufführung wird neben der Inszenierung von Gernot Grünewald in keinem Betracht abfallen. Wetten? Es geht um eine Kiste Bio-Bier.

 

Stationentheater wie ... 

... am Besuchstag ...

... einer Hochschule. 

Die Stimme der Kritik für Bümpliz und die Welt 0